Roland Huhn im Abschieds-Interview: Man braucht einen langen Atem - ADFC Düsseldorf

Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Kreisverband Düsseldorf

Roland Huhn im Abschieds-Interview: Man braucht einen langen Atem

Roland Huhn, seit 2004 ADFC-Rechtsreferent und „Rad+Recht“-Autor, blickt im Interview auf seine Erfolge zurück. Der Radverkehrs-Jurist geht Ende April in den Ruhestand und spricht über wichtige Meilensteine im Verkehrsrecht.

ADFC Roland Huhn
Roland Huhn © ADFC | Dirk Deckbar

Roland Huhn ist seit 2004 beim ADFC als Referent Recht tätig. ADFC-Mitglieder kennen ihn vor allem als „Rad+Recht“-Autor im Mitgliedermagazin Radwelt. Seinen ersten Beitrag für den ADFC verfasste er bereits 1990, inzwischen sind es mehr als 140. Viele Mitglieder haben auch seine Rechtsberatung in Anspruch genommen. Einer der wichtigsten Radverkehrs-Juristen Deutschlands geht Ende April in den Ruhestand. Zu seinem Abschied haben wir mit ihm gesprochen.

Über 140 Rad+Recht-Beiträge in der Radwelt und unzählige Rechtsberatungen stehen in deiner Bilanz als Rechtsreferent des ADFC. Das waren aber nicht deine einzigen Aufgaben. Was gehörte noch dazu?  

Ein wichtiger Teil meiner Arbeit war die juristische Beratung des ADFC-Bundesvorstands und der Bundesgeschäftsführung. Auch viele Landesverbände haben bei Bedarf Ratschläge erhalten. Ich habe auch die Gremien des ADFC wie die Bundeshauptversammlung und den Bund-Länder-Rat betreut. Das macht nun seit einiger Zeit die Verbandsabteilung der Bundesgeschäftsstelle. 

Für mehr Verbraucherschutz war ich in Arbeitskreisen des Deutschen Instituts für Normung (DIN) und habe an Normen mitgearbeitet, die für das Fahrrad wichtig waren. Außerdem war ich Teil des juristischen Beirats und von Vorstandsausschüssen des Deutschen Verkehrssicherheitsrates. Beim Deutschen Verkehrsgerichtstag habe ich den ADFC jedes Jahr vertreten. Und ich habe an verschiedenen Hochschulen Vorlesungen zum Thema Radverkehr gehalten. Die Aktiven im ADFC habe ich individuell und über die ADFC-Akademie immer gern unterstützt.

Der ADFC hat viele Änderungen bei Gesetzen, wie beim StVG und bei StVO-Novellen, angestoßen und deren Inhalt beeinflusst. Welche Regelungen haben die Sicherheit von Radfahrenden deutlich verbessert?

Einen zählbaren Unterschied hat die Einführung der Schrittgeschwindigkeit für Lkw beim Abbiegen gebracht. Das hat die Anzahl der tödlichen Rechtsabbiege-Unfälle mit Lkw-Beteiligung seit 2021 halbiert. Die Regelung geht auf einen Vorschlag des ADFC zurück. Der damalige Bundesverkehrsminister Scheuer hatte ihn ohne langes Zögern umgesetzt. Seitdem stagniert die Zahl dieser schwersten Unfälle aber auf dem niedrigeren Niveau. Die zunehmende Verbreitung von Abbiege-Assistenten, die seit 2024 für alle neuen Lkw in Europa vorgeschrieben sind, wird in den kommenden Jahren hoffentlich dazu führen, dass die Zahl der Lkw-Abbiegeunfälle erneut sinkt.

Auch die Ausstattung mit Abbiege-Assistenten hatte der ADFC ins Spiel gebracht, und er hat erreicht, dass sie EU-weit zur Vorschrift wurde. Es sind zusätzlich Verbesserungen der Infrastruktur nötig, wie die sichere Gestaltung von Kreuzungen oder der Verzicht von Radfahrstreifen in Mittellage, die in der Unfallstatistik überproportional vertreten sind.

Will man fahrradfreundliche Gesetze und Vorschriften durchsetzen, benötigt man einen langen Atem. Der ADFC hat an vielen Themen zehn Jahre oder länger gearbeitet, bis sie schließlich umgesetzt wurden – manchmal standen die Vorhaben kurz vor dem Scheitern. Anders ist es bei der Einzelfallberatung, wo man innerhalb weniger Tage einen wesentlichen Unterschied machen kann. Argumente gegen ein angebliches Mitverschulden können dazu führen, dass ein schwer verletzter Radfahrer statt 50.000 Euro Schadenersatz 100.000 Euro erhält.

Welche Themen gehörten bei den Rechtsberatungen zu den Klassikern? 

Stürze ohne Beteiligung anderer haben immer eine große Rolle gespielt. Schlaglöcher, Wurzelaufbrüche, Kanten, bauliche Hindernisse und Poller führen häufig zu solchen Unfällen. Die Rechtsprechung ist da sehr kleinlich und erkennt so gut wie nie ein Verschulden der Verkehrssicherungspflichtigen an. Da müssten schon Fallen gestellt worden sein, die man gar nicht erkennen kann. Bei allem anderen sagen die Gerichte, auf solche Verhältnisse müsse man sich einstellen. Da fällte es sehr schwer zu helfen. 

Bei Unfällen mit Kraftfahrzeugen ist es anders, weil dort die Haftung aus der Betriebsgefahr ins Spiel kommt. Manche Anwälte sind sich dieses Vorteils gar nicht bewusst, weil sie vor allem mit Unfällen zwischen Kfz beschäftigt sind, bei denen beide Seiten mit der Betriebsgefahr belastet sind. Bei Unfällen zwischen Radfahrenden und Kfz kann der ADFC sehr viel häufiger mit Tipps aus seiner internen Urteilsdatenbank helfen. 

Welche Baustellen im Radverkehr und Verkehrsrecht sind künftig wohl am drängendsten?

Die Fachwelt wartet schon ewig auf die neuen Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (ERA). Das ist im Grunde eine Anleitung, wie Radverkehrsinfrastruktur konkret auszusehen hat. Die jetzige Fassung ist von 2010. Wenn die neue Version herauskommt, hinkt sie voraussichtlich in Teilen dem Stand der Technik schon wieder hinterher, ist aber trotzdem eine Verbesserung. Manche Vorschläge des ADFC, wie geschützte Kreuzungen, wird man darin wohl vergeblich suchen.

Auf gesetzgeberischer Ebene hat sich viel getan: Als ich angefangen habe, gab es bei der Fahrradbeleuchtung noch die Pflicht zum Dynamo. Das war damals immer ein Seitenläuferdynamo, der bei Regen oder Kälte oft versagte, also immer dann, wenn man ihn brauchte. LED-Licht mit Nabendynamo oder Lithium-Ionen-Akku hat sich durchgesetzt, ohne dass man dafür eine Vorschrift brauchte. Nach Jahren des Widerstands aus dem Bundesverkehrsministerium sind jetzt sogar Blinker an allen Fahrrädern erlaubt.

Die Ziele des Straßenverkehrsrechts, wie Umwelt- und Klimaschutz, müssen jetzt zum Vorteil des Rad- und Fußverkehrs in der Praxis angewandt werden. Zudem muss die Einhaltung von Schutzvorschriften deutlich mehr kontrolliert werden, zum Beispiel der vorgeschriebene Überholabstand. Wir setzen uns für ein automatisches, standardisiertes Messverfahren ein. Die Anbieter von Verkehrsüberwachungstechnik scheuen aber noch den hohen Entwicklungsaufwand. Rechtlich müssten die Kfz-Halter stärker in die Verantwortung genommen werden. Allzu oft hilft bei „Kennzeichenanzeigen“ die Ausrede, man habe nicht selbst am Steuer gesessen.

Welche juristischen Entwicklungen bzw. Entscheidungen waren persönliche Highlights?

Ein Höhepunkt war die Verhandlung vor dem Bundesgerichtshof zum Mitverschulden an einem Unfall ohne Fahrradhelm. Ich erinnere mich noch lebhaft daran, wie unsere Telefonzentrale mir den Anruf durchstellte, mit dem der Ehemann der verletzten Radfahrerin den ADFC um Unterstützung bat. Die Begründung des BGH für die abgelehnte Mitschuld hat mir nicht so gut gefallen, weil das Gericht sich an der damals niedrigen Helmtragequote orientiert hat. Es gäbe durchaus bessere Begründungen für das Urteil, denn bei einer weiter steigenden Helmtragequote könnte man irgendwann für die Folgen eines unverschuldeten Unfalls mitverantwortlich gemacht werden, obwohl das Gesetz keine Helmpflicht vorsieht.

Rückblickend nach über 40 Jahren als ADFC-Mitglied: War es damals überhaupt vorstellbar, dass sich der ADFC zu dem großen und wirkungsvollen Lobbyverband für das Fahrrad entwickeln würde, der er heute ist?

Ich bin damals wegen der Mitgliederzeitschrift beigetreten und habe den ADFC zunächst gar nicht so sehr als politischen Interessenverband wahrgenommen. Das hat sich über die Jahre aber deutlich verändert. Auch im Bundesverkehrsministerium haben wir viel erreicht. Im Vergleich zur Größe des ADAC, der hundert Mal größer ist als der ADFC, machen wir doch ganz schön viel Wirbel. Dass das weiter so bleibt, dafür wird auch mein Nachfolger Alexander Besner-Lettenbauer sorgen, der sich schon seit einigen Monaten in der Geschäftsstelle einarbeitet.


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